Eine im Juni 2023 veröffentlichte, von der Regierung in Auftrag gegebene Studie („Bericht des Unabhängigen Expert*innenkreis Muslimfeindlichkeit“)[i] erkannte die weit verbreiteten muslimfeindlichen Einstellungen in Deutschland an und empfahl, dass die deutsche Regierung muslimfeindlichen Hass nicht länger von Rassismus trennen sollte. Deutschland bleibt in der Bekämpfung muslimfeindlichen Rassismus hinter den Erwartungen zurück. Im Jahr 2023 zählte die Regierung bis Ende September bereits 686 „anti-islamische“ Verbrechen, was die 610 Vorfälle des gesamten Jahres 2022 übertraf.
Trotz dieser Erkenntnisse und Empfehlungen hat das Innenministerium bisher weder mit den Experten, die den Bericht erstellt haben, zusammengearbeitet noch deren Vorschläge umgesetzt. Dies führte zu Kritik von Rima Hanano, Leiterin der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (CLAIM)[ii], die darauf hinwies, dass 2023 ein erschreckendes neues Hoch für muslimfeindliche Vorfälle markierte, mit durchschnittlich drei Vorfällen pro Tag im November. Ein konkreter Fall betraf einen Mann, der als Muslim wahrgenommen wurde und beim Verlassen eines öffentlichen Busses als „Terrorist“ bezeichnet, angegriffen und ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Der Mangel an offizieller Datenerhebung und klaren Indikatoren erschwert es den Behörden, das Problem effektiv anzugehen. Die deutsche Regierung hat seit 2017 muslimfeindliche Hassverbrechen unter dem Begriff „anti-islamische“ Motive klassifiziert, was die religiöse Identität in den Vordergrund stellt und die ethnische Identität außer Acht lässt. 2017 berichtete nur 1 von 10 Personen, die in einer EU-weiten Umfrage der Grundrechteagentur zu muslimfeindlicher Diskriminierung befragt wurden, den jüngsten Vorfall, weil sie glaubten, dass „nichts passieren oder sich ändern würde.“ Von denen, die Vorfälle meldeten, waren 81 Prozent mit der Reaktion der Polizei unzufrieden. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) und die Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung fordern Deutschland auf, unabhängige Überwachungsstrukturen und robuste Kapazitätsaufbau durch die Behörden zu etablieren, um muslimfeindlichen Rassismus effektiv zu bekämpfen.
Human Rights Watch: Deutsche Regierung versagt im Schutz von Muslimen vor Rassismus
Human Rights Watch fordert Deutschland zu entschlosseneren Maßnahmen gegen muslimfeindlichen Rassismus auf. Die Organisation kritisiert[iii], dass die deutsche Regierung in der Schutz der Muslime vor Rassismus versage, insbesondere angesichts eines alarmierenden Anstiegs von diskriminierenden Übergriffen und Hassverbrechen. Seit der Eskalation des Konflikts zwischen Israel und Hamas berichten die muslimischen Gemeinschaften in Deutschland von einem Anstieg islamfeindlicher Hassverbrechen, bedingt durch voreingenommene Medienberichterstattung und Propaganda durch rechtsextreme Politiker. Almaz Teffera, Expertin bei Human Rights Watch, betonte, dass die deutsche Regierung ihre Vorgehensweise ändern müsse, um muslimfeindlichen Rassismus besser zu bekämpfen. Es sei notwendig, das Verständnis für muslimfeindlichen Hass zu schärfen und eine verbesserte Erfassung sowie Verfolgung von Hassverbrechen gegen Muslime zu gewährleisten. „Ohne ein klares Verständnis von muslimfeindlichem Hass und Diskriminierung in Deutschland sowie starke Daten zu Vorfällen und Gemeindearbeit wird eine Reaktion der deutschen Behörden ineffektiv bleiben“, sagte Teffera. „Deutschland sollte in den Schutz von Muslimen und allen anderen Minderheitengemeinschaften investieren, da dies eine Investition in den Schutz der gesamten deutschen Gesellschaft ist.“
Bericht deckt auf: Alltägliche und strukturelle Diskriminierung von Muslimen in Deutschland
In Deutschland sind die rund 5,5 Millionen Muslime häufig alltäglichem und strukturellem Rassismus ausgesetzt, wie ein neuer Bericht[iv] zeigt, der am Donnerstag im Innenministerium in Berlin vorgestellt wurde. Die drei Jahre lang arbeitende Unabhängige Expert*innengruppe zur Muslimfeindlichkeit untersuchte umfassend Rassismus und Feindseligkeit gegenüber den Muslime im Land. Die Analyse basierte auf wissenschaftlichen Studien, Polizeistatistiken und Dokumentationen muslimfeindlicher Vorfälle durch Antidiskriminierungsstellen, Beratungszentren und Nichtregierungsorganisationen. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass mindestens ein Drittel der Muslime in Deutschland aufgrund ihrer Religion Feindseligkeit erfahren hat. Die Experten wiesen jedoch darauf hin, dass die tatsächlichen Zahlen wahrscheinlich wesentlich höher liegen, da nur etwa 10 % der Muslime Feindseligkeit und Hassverbrechen gegen sich melden. Die Forscher stellten fest, dass Muslime in Deutschland nicht nur offenem Rassismus ausgesetzt sind, sondern auch täglichen Stereotypen von der Kindheit bis ins Alter begegnen. Negative Vorurteile gegenüber der Gemeinschaft beinhalten häufig die Zuschreibung rückständiger und bedrohlicher Eigenschaften an Muslime und Menschen, die als Muslime wahrgenommen werden. Diese Stereotypen führen zu Ausgrenzung und Diskriminierung durch die Mehrheitsgesellschaft, obwohl 50 % der Muslime in Deutschland deutsche Pässe besitzen. Die Studie verdeutlicht, dass muslimfeindliche Haltungen in nahezu allen Lebensbereichen, von Schulen über die Polizei bis hin zu Medien und Politik, verbreitet sind. Karima Benbrahim, eine der Studienautor*innen, betonte die Notwendigkeit eines gemeinsamen gesellschaftlichen und institutionellen Anstrengens, um das Bewusstsein für Muslimfeindlichkeit zu schärfen und diese zu bekämpfen.
Schließung des Islamischen Zentrums Hamburg: Der Einfluss von Lobbygruppen
Die Schließung des Islamischen Zentrums Hamburg[v] kam nicht überraschend, sondern war das Ergebnis einer medialen und staatlichen Kampagne gegen dieses Zentrum seit November letzten Jahres. Die Parteien der Regierungskoalition forderten im Parlament die Schließung dieser religiösen und intellektuellen Einrichtung. Das Parlament sollte über diesen Antrag abstimmen und entscheiden, ob und wie das Zentrum geschlossen werden soll. Im November letzten Jahres griff die deutsche Polizei das Islamische Zentrum Hamburg und 54 weitere Zentren in sieben Bundesländern unter dem Vorwand der Untersuchung einiger unbegründeter Behauptungen an. Das deutsche Innenministerium erklärte damals, dass das Islamische Zentrum Hamburg und seine angeschlossenen Institutionen wegen des Verdachts auf Aktivitäten gegen die öffentliche Ordnung untersucht wurden. Dabei wurden ohne Vorlage jeglicher Beweise Anschuldigungen gegen die Aktivitäten des Islamischen Zentrums Hamburg erhoben.
Das Islamische Zentrum Hamburg, eines der bedeutendsten und ältesten islamischen Zentren in Deutschland, wurde 1953 mit Unterstützung von Ayatollah Boroujerdi in Hamburg gegründet. Zu seinen Aktivitäten gehören die Veröffentlichung von Zeitschriften in deutscher und persischer Sprache sowie die Bereitstellung von Beratungsdiensten. Das Zentrum verfügt über eine Bibliothek mit mehr als 6.000 Buchtiteln zu verschiedenen islamischen und schiitischen Themen. Infolge der starken Präsenz von Lobbygruppen des zionistischen Regimes und der terroristischen Organisation Mujahedin-e-Khalq in einigen deutschen Städten wurde dieses religiös-kulturelle Zentrum schon früher gelegentlich Ziel von Vorwürfen und Propagandakampagnen. Doch letztes Jahr, mit Beginn der Unruhen in einigen iranischen Städten, nahmen die Angriffe auf das Islamische Zentrum Hamburg zu, besonders da die deutsche Regierung zusammen mit den USA und einigen europäischen Ländern die Unruhen im Iran unterstützte.
[i] https://www.jugend-und-religion.de/infothek/infothek-materialien/707-muslimfeindlichkeit-eine-deutsche-bilanz-aktueller-bericht-des-unabhaengigen-expertenkreises-muslimfeindlichkeit-hg-von-bundesministerium-des-innern-und-fuer-heimat-bmi-berlin-2023
[ii] https://www.hrw.org/news/2024/04/30/germany-falling-short-curbing-anti-muslim-racism
[iii] https://www.aa.com.tr/en/europe/human-rights-watch-urges-germany-to-take-stronger-measures-to-combat-anti-muslim-racism/3206093
[iv] https://apnews.com/article/germany-muslims-racism-islam-hostility-immigration-705155b8da000d2501c5b02f5bec7078
[v] https://www.irna.ir/news/85547749/%DB%8C%D9%88%D8%B1%D8%B4-%D9%85%D8%AC%D8%AF%D8%AF-%D9%BE%D9%84%DB%8C%D8%B3-%D8%A2%D9%84%D9%85%D8%A7%D9%86-%D8%A8%D9%87-%D9%85%D8%B1%DA%A9%D8%B2-%D8%A7%D8%B3%D9%84%D8%A7%D9%85%DB%8C-%D9%87%D8%A7%D9%85%D8%A8%D9%88%D8%B1%DA%AF-%D9%81%D8%B9%D8%A7%D9%84%DB%8C%D8%AA-%D9%85%D8%B1%DA%A9%D8%B2-%D8%BA%DB%8C%D8%B1%D9%82%D8%A7%D9%86%D9%88%D9%86%DB%8C
Your Comment